Der Föttinger-Transformator

In die Technikgeschichte ist Hermann Föttinger mit seinem Föttinger-Transformator eingegangen. Dieser Transformator legte den Grundstein für die vielfältigen und weltweit eingesetzten Varianten der hydrodynamischen Leistungsübertragung. Seit 1952 werden Kupplungen und Getriebe, die auf dem von ihm erfundenen Prinzip basieren als "Föttinger-Kupplungen" bzw. "Föttinger-Getriebe" bezeichnet.

Föttinger hatte 1903 zunächst einen elektrischen Differentialdynamo vorgeschlagen, um die hohe Drehzahl einer Dampfturbine auf die für eine Schiffsschraube günstigere niedrigere Drehzahl zu reduzieren. Dieser bestand aus einem primären Dynamo-Rotor A, welcher einen Teil der Kraft direkt, ohne Umwandlung, auf einen sekundären Rotor B überträgt, während die Differentialkraft, der Schlüpfung entsprechend, in der gewöhnlichen Weise mittels eines Stators C auf denselben Rotor übertragen wird. Der gewünschte Effekt befriedigte nicht, insbesondere genügte er nicht den im Schiffbau gestellten Anforderungen.

Daher schlug Föttinger eine hydraulische Differential-Turbine vor, welche der Anordnung im Bild im Prinzip ähnlich ist, wobei die Dynamo-Rotoren durch Laufräder, die Statoren durch stationäre Leitschaufeln ersetzt werden. Diese Anordnung führte zum sog. "Ur-Patent" Nr. 221422 vom 24.Juni 1905.

Die Anregung hierzu erhielt Föttinger wohl von der damals schon bekannten Anordnung eines Kreislaufs "Pumpe - Rohrleitung - Turbine - Rückführung", die aber wegen zu großer Strömungsverluste unwirtschaftlich war. Föttingers geniale Idee war es, Pumpe und Turbine unter Fortfall jeglicher Rohrleitungen in einem Gehäuse zu konzentrieren und dadurch die Strömungsverluste zu minimieren.

Da nun die An- und Abtriebsseite unterschiedliche Drehzahlen aufwiesen, die übertragene Leistung aber erhalten bleiben sollte, war eine Umwandlung des Drehmoments erforderlich. Dies erreichte Föttinger, indem er ein Leitrad zwischen Pumpen- und Turbinenrad anordnete, das diese Aufgabe übernahm.

Im Folgenden soll die Arbeitsweise kurz sizziert werden:

In der nebenstehenden Abb. 1 ist eine mögliche Anordnung des Föttinger-­Transformators schematisch im Schnitt dargestellt. Die einzelnen Schaufelräder bilden zusammen einen in sich geschlossenen Ringkanal. Die Pumpe P fördert unmittelbar in die erste Turbinenstufe T1 . Von dort tritt die Flüssigkeit, nachdem sie einen Teil ihrer Energie abgegeben hat, in den Leitapparat L und aus diesem in eine zweite Turbinenstufe T2. Die aus dieser Stufe austretende Flüssigkeit wird sofort wieder von der Pumpe P erfasst. Der Leitapparat ist mit dem feststehenden Gehäuse verbunden. Er nimmt das Differenz­drehmoment zwischen Antriebsdrehmoment und Sekundärmoment auf. Erst das Vorhandensein eines feststehenden Leitapparates macht überhaupt eine Drehmomentwandlung möglich, denn ohne eine Ableitung eines Differenzmoments an die feste Umgebung muss das Sekundärmoment stets gleich dem Primärmoment sein, eine Tatsache, die von manchen Erfindern von Flüssigkeitsgetrieben übersehen wird.
Durch die Anordnung der Schaufelräder in einem in sich geschlossenen Ringkanal nach Abb.1 sind die Verluste auf ein Minimum gebracht worden und man hat Wirkungsgrade dieses Getriebes von über 90 % erreicht. Die Eigenschaften des Föttinger-Transformators sind dem Kurvenblatt Abb. 2 zu entnehmen. Während Drehzahl und Drehmoment der Antriebsmaschine praktisch konstant bleiben, zeigt die Sekundärseite des Getriebes eine Art Hauptstromcharakteristik, d.h. das Getriebe passt sich weitgehend an den jeweiligen Dreh­momentsbedarf Ms unter gleichzeitiger Änderung seiner Sekundärdrenzahl ns an. Die Kurve des Sekundärmoments steigt mit abneh­mender Sekundärdrehzahl nahezu gradlinig an und erreicht bei Stillstand der Sekundärseite (ein Fall, der z.B. beim Anfahren eines Fahrzeuges vorliegt) etwa den doppelten Wert des Sekundärdrehmoments im nor­malen Zustand, für den das Getriebe ausgelegt ist. (Ist das Föttinger Getriebe beispielsweise für eine Übersetzung 1 : 3 konstruiert, so beträgt die Momentübersetzung im Anfahrzustand 1 : 5 bis 1 : 6). Die Anpassung an die Belastung erfolgt vollkommen selbsttätig. Ein Nachteil des Getriebes, den es mit allen Kreiselmaschinen gemeinsam hat, besteht darin, dass der gute Wirkungsgrad nur in der nahen Umgebung des Zustandes erreicht wird, für welchen das Getriebe konstruiert ist. Sobald man sich im Betrieb von diesem Zustand entfernt, sinken die Wirkungsgrade etwa nach einer Parabel ab (vergl. Abb.2). Dies erklärt sich daraus, dass die Winkel der Beschauflungen der einzelnen Räder nur für einen bestimmten Betriebszustand (den »Konstruktionspunkt») passen. Bei anderen Betriebszuständen treten Stossverluste auf, die den Wirkungsgrad verschlechtern.

 

 

 

 

Das  „Ur­patent“ (Nr. 221422): Flüssigkeitsgetriebe mit einem oder mehreren treibenden und einem oder mehreren getriebenen Turbinenrädern zur Arbeitsübertragung zwischen benachbarten Wellen) wurde am 24. Juni 1905 erteilt.

 

 

 

 

In einer längeren Denkschrift vom Dezember 1906 überzeugte Föttinger die Direktion des Vulcans von den Vorzügen seiner Erfindung, die er im Wesentlichen wie folgt beschrieb, nämlich:

  1. dass das gesamte Schiffshinterteil, außen und innen, dasselbe bleibt, wie bisher bei der Kolbenmaschine,
  2. dass normale, große, langsam laufende Propeller verwendet werden, wie bisher bei Kolbenmaschinen,
  3. in der Benützung derselben hochökonomischen Dampfturbine für Vor- und Rückwärtsgang und den Fortfall der unökonomischen Rückwärts – Dampfturbinen,
  4. in der Verwendung raschlaufender Dampfturbinen und
  5. in geschäftlicher Beziehung darin, dass das System durch ziemlich umfassende Patente geschützt werden kann.
     

Aber er führte auch die Nachteile an, weil die Detailkonstruktion noch nicht ausgereift war und „Ein Nachteil f. die Einführung der Sache ist natürlich, daß sie für den Schiffsbetrieb, die Schiffspraxis ganz neu, ungewohnt ist und daher der Trägheitswiderstand der verschiedensten Personen u.s.w. nur langsam zu überwinden sein mag. Aber eben in dieser Anwendung neuer, anderer Gedanken kann auch die Stärke des Systems ruhen, weil es die jetzigen Schablonen, das verhängnisvolle, den Fortschritt hinderliche „Schema F“ namentlich der Mehrwellenanlagen u. Rückwärtsturbinen abschüttelt u. durch neue vielleicht rationellere Mittel ersetzt.“

Die Direktion des Vulcans ließ sich überzeugen und stimmte zunächst dem Bau eines Modells von 100 PS und der Drehzahl-Reduktion von 1000 zu 225 U/min. Wirkungsgrad (83%) und Betriebsverhalten überzeugten, sodass eine weitere Experimentiermaschine in der Praxis erprobt werden sollte. Diese wurde 1909 mit einer Leistung von 500 PS in die MS "Föttinger Transformator" einem Schleppdampfer, Eisbrecher und Passagierdampfer installiert und erwies sich auf Anhieb als voller Erfolg. Die "MS Föttinger-Transformator" war bei Ihrer Indienststellung im Jahre 1909 das erste Turbinenschiff der Welt mit indirektem Propellerantrieb.

Das zweite Schiff, das mit einem Föttinger-Transformator ausgerüstet wurde war die Holzapfel I. Weitere Schiffe des Stettiner VULCAN mit "reinen" Föttinger-Transformatoren sind hier aufgeführt.

Föttinger-Transformatoren wurden aber auch für andere Schiffe und stationäre Anwendungen gefertigt. Sie erhielten eine fortlaufende Nummerierung und es wurden etwa 50 Exemplare ausgeführt. Eine noch ziemlich unvollständige Liste ist hier einzusehen.