Föttinger und die Flugbahn

Dipl.-Ing. Franz Kruckenberg gründete die Flugbahn-Gesellschaft mbH zum Bau des "Schienenzeppelins" mit Heck-Propeller-Antrieb. Die ersten Schnellfahrten wurden am 25.9.1930 durchgeführt. Da sich der Luftschraubenantrieb nicht durchsetzen ließ, so musste ein innovativer Rad-Schiene-Antrieb entwickelt werden.

Eine ausführliche Darstellung der Kruckenberg´schen Entwicklungen findet sich in:
A. Gottwald:
Der Schienenzeppelin - Franz Kruckenberg und die Reichsbahn-Schnelltriebwagen der Vorkriegszeit 1929 - 1939 , EK-Verlag 2006 [1]

Bei den Überlegungen zur Entwicklung eines alternativen Antriebs knüpfte Franz Kruckenberg und Curt Stedefeld Kontakte zu ihrem Lehrer aus Danziger Zeiten, nämlich Professor Dr.-Ing. Hermann Föttinger.

Im Vorwort seiner Denkschrift "Die Flugbahn" [2] berichtet der Autor Dipl.-Ing. Franz Kruckenberg den Beginn seiner Zusammenarbeit mit Hermann Föttinger.
Zitat:".......
Während der „Schienenzeppelin" in der Herstellung war, beschlossen wir, in der Erkenntnis, daß die wirtschaftliche Verwendung eines Propellers erst bei etwa 200 km/h beginnt, das von Professor Föttinger 1908 erfundene Flüssigkeits-Getriebe für Triebwagen zur Einführung zu bringen. Wir waren zu der Überzeugung gelangt, daß es dem mechanischen oder Elektro-Antrieb überlegen sein werde. Im Juni 1930 machten wir Professor Föttinger mit diesem unseren Plan bekannt. In Gemeinschaftsarbeit mit ihm nahmen wir alsbald eine Maschinenanlage von 600 PS in Konstruktion und konnten im April 1932 in unserer eigenen Werkstatt mit deren Herstellung beginnen. Im August 1932 wurde der „Schienenzeppelin" kurz hinter dem vorderen Laufwerk durchschnitten und der Anbau eines neuen Kopfes mit einem zweiachsigen Laufwerk, die Föttinger-Flüssigkeitsgetriebe für beide Fahrtrichtungen enthaltend, in der eigenen Werkstatt durchgeführt. Mitte November 1932 waren wir mit der erfolgreichen Erprobung des Fahrzeuges mit dem neuartigen Radantrieb fertig. Erst im April 1933 durften wir den Wagen auf Betriebsstrecken der Reichsbahn vorführen. Zwecks Dauererprobung ging er im November 1934 in den Besitz der Reichsbahn über........."

Der Schienenzeppelin trug damit als erstes dieselhydraulisches Schienenfahrzeug zur Entwicklung von Diesellokomotiven mit hydraulischer Kraftübertragung bei; 1939 veranlasste die Deutsche Reichsbahn den Abbruch des Fahrzeuges. Es wurde nie fahrplanmäßig eingesetzt..

Der Wagen wurde im November 1932 dem technischen Direktor der Firma Voith, Heidenheim Herrn Dir. Hahn, vorgeführt, die seitdem den Bau von Turbogetrieben für Triebwagen mit steigendem Erfolg aufgenommen hat." [3]J

Die Kooperation mit Kruckenberg und Curt Stedefeld führte zu den Patenten Nr. 661783 vom 2.2.1932: "Mehrstufige Antriebsübertragung für Landfahrzeuge, insbesondere Schienenfahrzeuge" und Nr. 581784 vom 4.3.1932: "Fahrzeugantrieb"

Föttinger selbst beschreibt die Vorzüge seiner Konstruktion in [3]:

"Das Gewicht war nur ein Fünftel der entsprechenden elektrischen Übertragung. Trotzdem wurden folgende Eigenschaften des Elektroantriebs verwirklicht:

  1. Gleiche Verteilung der Zugkraft auf beide Antriebsachsen (ohne Kuppelstangen)
  2. Stufenlose Geschwindigkeitsänderung
  3. Selbständiger Anstieg des Moments beim Anfahren und auf Steigungen
  4. Konstanthaltung der Motordrehzahl und -leistung bei allen Fahrgeschwindigkeiten
  5. Umsteuerung ohne Kegelräder während der Fahrt
  6. Abnutzungslose hydraulische Bremsung und Wärmeabführung."

 

Schienenzeppelin

Schema des umsteuerbaren Turboantriebs

Laufwerk des "Schienenzeppelins" mit Föttinger-Getrieben (1932)

Turboantrieb mit 2 Vorwärts- und 2 Rückwärtswandlern

Nach den Rückschlägen beim Schienenzeppelin hat Kruckenberg nicht aufgegeben, sondern er hat weiter am Konzept einer Schnellbahn gearbeitet. Sein Projekt SVT 137 155 mit AEG-Föttinger-Getriebe stand gewissermaßen in Konkurrenz zum Projekt SVT 137 153/154 mit Voith-TAG-Getriebe, das letztlich erfölgreicher war.

W. Pätzold beschreibt das AEG-Föttinger-Strömungsgetriebe - eine Alternative zum Voith-TAG-Getriebe in [4] wie folgt:

Die Entwicklung eines diesel­hydraulischen Leichtbau-Schnelltriebzuges nach den Ideen von Franz Kruckenberg (1882-1965) geht bis zum Juni 1934 zurück. Damals hatte Westwaggon, Köln-Deutz ein entsprechendes Angebot an das Reichsbahn­Zentralamt in Berlin eingereicht. Die Lieferung des dreiteiligen Schnell­triebzuges zog sich aber bis Januar 1938 hin.

Der SVT 137 155 nach seiner Fertigstellung bei Westwaggon. Januar1938

So wie das Erscheinungsbild dieses SVT 137 155 von den beiden diesel­hydraulischen SVT 137 153/154, Bauart Leipzig, abwich, so unterschiedlich war auch seine Antriebsanlage. Statt eines Maschinentriebdrehgestells saßen der Dieselmotor und das Getriebe auf einem gemeinsamen Rahmen schräg im Wagenkasten. Über eine 3,2 m lange Welle mit festem Rohr wurde nur ein Radsatz mit einem Radsatzwendegetriebe angetrieben.

 

600-PS-Antriebsanlage des VT 137 155 Bauart Kruckenberg

 1 Motor (Maybach G 06, 600 PS bei 1400 min-')

2 Drehelastische Verbindung über zwei Gewebescheibenkupplungen

3 AEG-Föttinger-Getriebe (Zweiwandler-Bauart)

4 Verbindungswelle

5 Radsatzwendegetriebe (einstufiges Kegelradgetriebe mit ia = 1,045)

Das Strömungsgetriebe, von AEG nach Vorgaben von Hermann Föttinger konstruiert und von Krupp, Essen gebaut, war ein Einwellen­getriebe ohne Hochgang und Abtriebsstufe. Der Profildurchmesser der beiden hydraulisch gestaffelten Wand­ler war mit 740 mm entsprechend groß. Betrieben wurden sie nicht mit Mineralöl, sondern mit Wasser. Damit waren allerdings Abdichtprobleme der Wälzlager verbunden, die teilweise eine Fettfüllung erhielten und teil­weise an das Schmierölsystem des Motors angeschlossen waren.

Der Anfahrwandler hatte 2 Turbinenräder, aber nur 1 Axialleitrad. Wegen des fehlenden Leitrades vor der Pum­pe hatte er eine abfallende Leistungs­aufnahme, sodass der Motor im - Drückungs- und Abregelbereich arbeitete. Der Marschwandler mit 1 Turbinenrad hatte etwa konstante Leistungsaufnahme. Das Getriebe musste durch den Fahrer von Hand über 2 Magnetventile geschaltet werden, Füll- und Entleervorgang der beiden Wandler überdeckten sich während des Umschaltvorganges.

 Der Einsatz des Kruckenberg­ Schnelltriebwagens stand unter kei­nem guten Stern. Bereits vor dem fahrplanmäßigen Einsatz lief im Juni 1938 ein Lager der Treibradsatzwelle heiß, und die Welle brach. Die Lieferung einer neuen Radsatzwelle dauerte fast ein Jahr. Bei einer Versuchsfahrt von Berlin nach Hamburg am 23. Juni 1939 wurden 215 km/h er­reicht. Aber erneut brach eine Treibradsatzwelle, diesmal am anderen Drehgestell. Dann kam der Krieg. Nach 1945 war der SVT 137 155 in Ostdeutschland verblieben und kam als Schadfahrzeug zum RAW Wittenberge. Dort wurde er 1958 verschrottet.

 Eines der beiden Getriebe wurde von SM Dresden aufgearbeitet und ist im Verkehrsmuseum Dresden ausgestellt.

Das folgende Bild wurde von Herrn Wolfram Kluge vom Verkehrsmuseum Dresden zur Verfügung gestellt. Es zeigt das Getriebe in geöffnetem Zustand, wie es 1958 in Dresden angeliefert wurde. Bei der Übernahme zeigte es sich in einem erstaunlich gutem Zustand. Das Getriebe ist im Verkehrsmuseum Dresden in einem „Mock-up“ des Triebkopfes installiert, allerdings in geschlossenem Zustand.

 

 


[1] Gottwald, A.: Der Schienenzeppelin - Franz Kruckenberg und die Reichsbahn-Schnelltriebwagen der Vorkriegszeit 1929 - 1939 ,
     EK-Verlag 2006

[2] Kruckenberg, F.: Die Flugbahn (Eine Denkschrift), Köln, 1938

[3] Föttinger, H.: Die Kohlenstaubturbine auf Grundlage der hydrodynamischen Arbeitsübertragung (Turbo-Übertragung), in: Jahrbuch der Schiffbautechnischen Gesellschaft, Bd. 38, 1937, S. 377ff)

[4] Paetzold, W.: Voith-Turbogetriebe 1930 – 1985, Bd. 2 Triebwagengetriebe, Heidenheim 2004, S. 34 - 35

[5] Föttinger H., Kruckenberg F., Stedefeld C.: Fahrzeuggetriebe,  DRP 581784, 4.3.1932 (PDF, 274KB)

[6] Föttinger H., Kruckenberg F., Stedefeld C.:Mehrstufige Antriebsübertragung für Landfahrzeuge, insbes. Schienenfahrzeuge, DRP 661783, 2.2.1932, (PDF, 1,1MB)

http://www.deutsches-museum.de/bib/archiv/nach3_l.htm

Nachlass von Kruckenberg, Franz